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März 12, 2024

Konkrete Verweisung verzichtbar?

Die Thematik der "Konkreten Verweisung" erfährt derzeit eine breite Diskussion, insbesondere da der erste große Player als Vorreiter in der Branche erstmals einen kompletten Verzicht darauf in Erwägung zieht. Bei ASCORE liegt unser Fokus darauf, die Auswirkungen dieses Schrittes auf den Markt zu analysieren, wobei wir insbesondere die Konsequenzen für Kunden, das Versicherungskollektiv und die Versicherungsgesellschaft berücksichtigen möchten.

Die konkrete Verweisung stellt im Grundsatz eine ausgesprochen faire Regelung dar. Im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung, die primär dazu bestimmt ist, den Ausfall eines Einkommens zumindest teilweise zu kompensieren, erscheint es angemessen, dass der Versicherer seine Leistungen einstellen kann, sobald der Versicherte tatsächlich in der Lage ist, anderweitig Geld zu verdienen.

Hierbei muss jedoch gewährleistet sein, dass der neue Job ein vergleichbares Gehalt bietet, das gleiche Ansehen genießt und der Versicherte weder über- noch unterfordert ist. Alle drei Kriterien müssen erfüllt sein, damit eine Verweisung möglich ist. Obschon diese Bedingungen bereits rechtlich festgelegt sind, plädieren wir dennoch für eine explizite Festlegung, beispielsweise bezüglich der Unannehmbarkeit von Gehaltseinbußen über 20%. Angesichts der langen Laufzeiten von BU-Verträgen über mehrere Jahrzehnte besteht die Möglichkeit, dass sich rechtliche Rahmenbedingungen ändern können.

Die bestehende Regelung stellt für die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Herausforderung dar, da sie es erschwert, die Rentenzahlungen einzustellen, solange nicht sicher ist, dass der Kunde dauerhaft für sein Einkommen sorgen kann. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet lässt sich ein Verzicht auf die konkrete Verweisung argumentativ begründen. Wenn es ohnehin selten gelingt, könnte eine Überlegung nahe liegen, diesen Prozess einzustellen.

Jedoch dient die konkrete Verweisung auch als gesundes Regulativ, um das Kollektiv vor nicht bedarfsgerechten Rentenzahlungen zu schützen. Warum sollte jemand, der in seinem neuen Beruf nahezu das gleiche Einkommen erzielt wie zuvor, weiterhin eine BU-Rente erhalten? Diese Frage verdeutlicht die Komplexität der Thematik.

Der Verzicht auf die konkrete Verweisung könnte für den Versicherer durchaus vorteilhaft sein, da er dadurch ein Alleinstellungsmerkmal erhält, das sich in der Akquise positiv auswirken könnte. Zudem würden Betriebskosten eingespart, da die Prüfung der konkreten Verweisung entfällt. Trotz der Seltenheit erfolgreicher konkreter Verweisungen birgt der Verzicht jedoch das Risiko extrem langer Leistungsfälle.

Hinzukommt die Gefahr von Leistungsfällen, die bisher nicht zur Meldung gebracht wurden. Wer mal aus gesundheitlichen Gründen umgeschult hat, konnte das vermutlich über staatliche Leistungen finanzieren. Bei einem kompletten Verzicht auf konkrete Verweisung steht hier ein Leistungsfall im Raum, der bis heute die Rente zahlen müsste. Insgesamt erfordert diese Entscheidung eine gründliche Analyse, um potenzielle Auswirkungen auf Kunden, das Versicherungskollektiv und die Versicherungsgesellschaft zu evaluieren. Der Verzicht auf die konkrete Verweisung könnte unerwartete Konsequenzen nach sich ziehen, die das gesamte Versicherungsumfeld beeinflussen. Daher werden wir den Verzicht auf die konkrete Verweisung zwar in unsere Bewertungskriterien aufnehmen, aber vorläufig noch keine abschließende Bewertung vornehmen.

Autor:in:

Philip Wenzel
Vertriebsspezialist BU, Fonds Finanz

Nicole Rode
Abteilungsleitung Leben, softfair GmbH